Eva-Maria Lerchenberg-Thöny

 

Kritiken zu den Tanz­the­a­ter­pro­duk­tio­nen am Staats­the­a­ter Braun­schweig

Presseartikel zu

Macbeth

Dance Europe Mai 2010 Von Claire Dommett

Macbeth

...A reporter with a microphone pesters a young girl, a very lyrical Mariella Argay, with aggressive, meaningless questions. As she tries to avoid him and just dance, he follows her relentlessly and sticks layer upon layer of newspaper all over her body until she breaks down. A very moving statement against belligerent press and media... ...The premiere was received with deserved cheers. A shame for Braunschweig, that Lerchenberg-Thöny is leaving...

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Dance for you Mai/Juni 2010 Von Volkmar Draeger

macbethMai2010 (776K)   tanz Mai 2010 Von Klaus Witzeling

EVA-MARIA LERCHENBERG-THÖNY "MACBETH"

2676pi (13K) Das Opfer sperrt und wehrt sich gegen die Angriffe. Keine Chance. Behende klebt der Verfolger Zeitungsblätterblätter auf den Körper.
Immer mehr gedruckter Dreck bleibt an ihm haften - bis er unter der Papierhast der Lügen kollabiert. Ein zweifellos plakatives Bild in
Eva-Maria Lerchenberg-Thönys "Macbeth".
Es bedarf keines blutigen Schlachtens, um Gegner zu erledigen. Die Medien führen die Waffen. "Das Prinzip Macbeth" heißt: Rufmord. Durch Denunziation, Hetzkampagne, Verleumdung macht man unliebsame Widersacher (mund)tot.

Inspiriert durch Shakespeares Tragödie, choreografiert die Braunschweiger Tanztheaterdirektorin eine Parabel über die zerstörerische Energie bei schmutzigen Globalgeschäften. In tänzerischem Furor feiern sie und ihre exzellente Kompanie zum Abschied einen satirischen Kehraus mit der Hexensippe des Bösen. Die fällt dem Publikum in den Rücken, krabbelt insektenhaft über Parkettreihen hinweg, erobert sich die Bühne und verschwindet nach vollbrachtem Massaker lautlos, wie sie gekommen war. Wie ein Heuschreckenschwarm.

Den Größenwahn einer angemaßten Weltherrschaft setzt die Choreografin plastisch ins Bild. Viel zu groß sind Tisch und Stühle für die ehrgeizig strampelnden Möchtegern-Regenten. Ihr szenisches Arrangement um die überdimensionale Tafel erinnert an den "Grünen Tisch" der Kriegstreiber im pazifistischen Tanzpamphlet von Kurt Jooss. Hier tragen Bürokraten in grauen Anzügen ihre blasse. Haut zu Markte, rivalisieren um Karriere und den Sitz an der Spitze. Der junge Macbeth (David Roßteutscher) ist kein Held. Sein Solo-Entree charakterisiert mit ausgefahrenen Ellbogen, Tritten in alle Richtungen und Spiralsprüngen seine Ambition - und ein beharrlich wiederholtes, von den anderen kopiertes, abgewandeltes Bewegungsmotiv. Der zitierten Politikerphrasen von Helmut Kohl bis Angola Merkel hätte es da nicht mehr bedurft. Dass die Medien in Gestalt des Rufmörders {Jiri Kobylka ihr Fett abbekommen, passt zu Lerchenebrg-Thönys Sozialsatire ebenso ,ebenso wie die groteske Ballszene der Paare mit Waffenartig ausgefahrenen Armen und Beinen zu Johann Strauß´ Walzer "An der schönen blauen Donau".

Macbeth zur Seite in drei zentralen Duetten - agiert Daniela Indrizzi als barfüßige Lady in Rot. Sie verkörpert neben der treibenden Machtgier das zweite dominante Prinzip des Stücks: nackten Sex. Die Choreografin erreicht durch den Einsatz der Musik von Arvo Pärt und den Perkussionseruptionen von Andre Matthias abrupte Stimmungswechsel, setzt mit Bühnenbildner Thomas Pekny auf suggestive Bilder durch Lichteinsatz, sich ballende Nebelschwaden und die aus dem Bühnenhimmel drohende Lanzeninstallation. Nach vollbrachtem "Hexenwerk" fährt sie erwartungsgemäß zum finalen Schusseffekt herab.

Lerchenberg-Thöny hat nicht zufällig die Machtkämpfe um Macbeth zum Thema ihres Abschieds-stücks gemacht. Sie spiegeln wohl etwas von ihrer schwierigen Position am Haus und in der Stadt. Mit dem bissig-ionischen Zeitkommentar "Macbeth" verschafft sie sich jedenfalls einen starken Abgang.

 

Neues Deutschland 10.03.2010 Von Volkmar Draeger

Macbeth getanzt

Einen "Macbeth", deckungsgleich mit Shakespeares Drama aus dem Jahr 1606, hatte eh niemand von Eva-Maria Lerchenberg-Thöny erwartet. Ihr Tanztheaterstück, das die international besetzten 3. Braunschweiger Tanztage eröffnete, verwendet lediglich die Grundkonstellation des Schauspiels, Macbeths ehrgeizigen Kampf um die Macht, und siedelt ihn in der schlüpfrigen Politarena der Gegenwart an.

Zentrales Requisit auf der unveränderlichen, einzig durch Licht modellierten Bühne ist ein ovaler Tisch, an dessen Stirn zu sitzen, den zu erklimmen Macbeths Ziel wird. Zunächst jedoch lagert er noch auf dem Boden, derweil eine Hexe oben wabert. Ihr gesellt sich in Rot Lady Macbeth bei, und von der ist ihr Gatte fasziniert. Ehrliche Liebe bindet beide, aber rasch klärt sich, wer wen dominiert: Sehnend wölbt sich unten sein Leib der Lady entgegen; der rote Schal, mit dem sie sich erdrosseln wird, ist verknüpfendes Band und Metapher der Blutschuld, die beide auf sich laden. Nur die Hexe weiß bereits davon. Aus dem Saal dringen ihre Gefährtinnen auf die Bühne, üben sich in den Sprungstürzen, die Macbeth erst steigen, dann fallen lassen werden. Und da sind sie dann in den Dunkelpausen zwischen den Bildern: Spitzenpolitiker mit tönenden tönernen Worten, markige Phrasen aus Reden von Kohl, Schröder, Merkel, Westerwelle als jüngstem Fall unbezähmbarer Aufstiegsgelüste.

Noch schmiedet Liebe die Macbeths zusammen, er in naiver Anbetung, sie im begehrlichen Blick auf die Macht, beide beäugt von den Hexen. Duncans Besuch wird zum auslösenden Moment. Mit dem Mädchen, das er sich schnappt, zerrt man ihn im wüsten Sado-Maso-Taumel ans Licht, Grund, ihn zu beseitigen. Der Partywalzer führt die Macbeths selig auf den Tisch, das Silberköfferchen als Insignum bei sich, nur Macduff flieht. Und Barschel gibt vom Band nochmals sein wertloses Ehrenwort. Bis Macbeth dessen Schicksal teilt, beseitigt er, wen er für unzuverlässig hält: alle. Kein Ende des Erdrosselns, Vergewaltigens, teils in Zeitlupe, immer aber bei Bildbeginn unterlegt von den löblichen Versprechen der Politiker. Buckeln müssen die Untertanen vor dem misstrauischen Triumphator, dem ein willfähriger Spitzel die letzten Opfer zuführt, bis der König ihn als Mitwisser ersticht. Rufmord hat bis dahin eine Frau im Stil der Nazis zur Diebin erklärt, wer sie nicht rechtzeitig bespucken wollte, ist nächster Todeskandidat. Und selbst die eiskalte Lady stranguliert sich, als sie Macbeths Liebe verloren weiß an die Macht. Wild wie Derwische drehen da die Hexen, während Macbeth einsam auf dem Thron sitzt, ihn erhöhend auf den Tisch zerrt. Dort ereilt ihn sein Ende: Nach fulminantem Solo zerrt ihn Macduff aus dem Handstand vom Stuhl, reißt ihn in die Tiefe. Über die Hexen senkt sich ein Wald aus Stäben, ehe auch sie im Grund versinken. Lerchenberg-Thöny ist mit dieser Abschiedsinszenierung aus dem Braunschweiger Engagement ein nachdenklich stimmendes Gleichnis auf übersteigertes Machtstreben gelungen. Organisch, differenziert, musikfühlig fließt die zeitgenössische Bewegungssprache, angereichert wieder mit akrobatischer Bravour in den rasanten Kampfszenen. Daniela Indrizzi besticht als herrische Lady, die David Roßteutscher als ihren körperlich kleineren Gatten in die Karriere schickt und dafür mit dem Leben zahlt. Zu Musik von Arvo Pärt, André Matthias, Johann Strauß wirft sich die Tänzermannschaft voller Elan in ihre letzte gemeinsame große Premiere.

 

www.öffentliche.de - Subway medien 11.03.2010 Von Markus Hiereth

Macbeth im Getriebe einer fortgeschrittenen Zeit
Shakespeares Drama getanzt am Braunschweiger Staatstheater

hiereth1 (20K) Dekadenz, der Sog an den Abgrund ist das Thema dieser Tage. In seinem Macbeth hat William Shakespeares den Figuren den Weg dorthin moralisch und physisch vorbestimmt. Die meisten gehen ihrer Lebenssäfte verlustig und werden - bestenfalls von Wenigen betrauert und halbwegs würdig - unter die Erde gebracht. Wie lädt Eva-Maria Lerchenberg-Thöny und das Tanzensemble am Braunschweiger Staatstheater diesen Stoff von Neuem auf? Bezüglich der Akteure menschlich in wundervollem Sinne: David Roßteutscher in der Hauptrolle und Daniela Indrizzi als Lady Macbeth zeigt das Stück zu Beginn als füreinander bestimmt. Sinnlicher Magnetismus wirkt nicht nur zwischen den beiden sondern er reicht noch bis in die hintersten Reihen des Parketts. Seine Bewegungen sind flammenhaft wandelbar. Über die linke Hand lässt er sich rückwärts drehend fallen und findet zurück in den Stand. Er rollt über den Rücken und wird am Tanzboden punktgenau zur Kerze im stahl-grau-blauem Trikot. Leben jedoch ist wallendes Blut in Venen und Arterien. Mit Lady Macbeth, diesem in dünner Seide von loderndem Rot delikat verpacktem Geschöpf, fasst er es.

hiereth2 (12K) Daran, dass mit Lieben und Geliebt werden die Welt nicht komplett beschrieben ist, erinnert ein von Anfang an auf der Bühne sitzendes vermummtes drittes Kleines, ein Gnom. Er harrt aus und lässt gewiss sein, dass das Gute nicht bleibt. Ihm zuarbeiten wird kaltes Streben nach oben, der Hunger nach Spiegelung des Ich im schnöden Sinn. Nicht unbedingt willentlich begibt sich Macbeth in diese Gefahr, vielmehr wird er zuerst theatral und dann bühnentechnisch in sie versetzt.

Und zwar, nachdem uns Zuschauern eine Schar geradeso verlotterter, aber langbeinigerer Gesellinnen des Gnoms über die Schultern und an den Ort des Geschehen gekrochen sind. Ihrem Hexentanz überlässt Macbeth die Bühne und guckt verängstigt aus einer Ecke zu. Die Demo der Furien braust schließlich ein Gemenge aus Tondokumenten von Kanzlern und Kanzlisten unserer Republik ab. Ihr Regierungs-Erklären stimmt auf Macht und die Mächtigen der Gegenwart ein, deren Agieren dieser Abend im weiteren weidlich reflektiert. Macbeth bescheidet sich anfangs noch damit, ein Rädchen in Kreisen zu sein, von welchen es heißt, dass sie die "besseren" seien. In ihrer Mitte scheint er nicht schlechter als andere. Auf Wendigkeit kommt es an. Freie Sprossen auf der Karriereleiter ergeben sich oft genug, denn der Umgang hier ist nur an der Oberfläche ehrenwert. Entsprechend bleibt Schwelgen und Taumeln im Walzer auf die Donauwellen-Partitur eines Johann Strauß beschränkt. Beim Tanz dieser Gesellschaft hakt es unentwegt. Denn die Herren behalten sich die langstreckten Beine der Damen als Mittel der Auseinandersetzung vor.

hiereth3 (11K) Trocken und wie boshaft erfährt in dieser modernen Version des Dramas eine Figur um die andere ihre Erledigung. Macbeth selbst sticht nur einmal, rasch und kurzent- schlossen zu. Rechtfertigend vor sich wird er "hygienische" Gründe anführen: Einer wusste zuviel. Dem roten Faden Shakespeares, wonach eine Schuld die nächste, ein Unheil das andere gebärt, ist die Braunschweiger Tanztheaterchefin Eva-Maria Lerchenberg-Thöny treu und strickt mit ihm ihre Version des Macbeth. Sicher ist die eine oder andere Masche weit geraten.

Offensichtlich etwa bekommt in einer Szene die Kunstkritik ihr Fett ab. Doch abgesehen davon, dass man sich unwillkürlich auf die Seite des Opfers - eine mit Zeitungspapier gespickte Tänzerin - schlägt: Von einer Teilhabe der Medien an der Macht war eben im 16. Jahrhundert nicht arg viel bekannt. Letztlich aber zählt, ob das unseren Tagen entnommene Beiwerk aus dem Shakespeare'schen Drama einen Macbeth gemacht hat. Dass die Antwort nein lautet erklärt sich vor allem durch das Wie und die Tiefe, mit der der Abend die Sinne anspricht. Arvo Pärts teils verlorene, teils sich majestätisch aufbäumende Musik und der Tanz sind ernst und innig miteinander verflochten. Das Ensemble vermittelt überzeugend eine Lesart des Dramas, derzufolge ein verrohter, schließlich kaputter Täter einmal voller Hoffnungen vor dem eigenen Leben stand. Ihm selbst bleibt dabei jedoch noch in der Fülle von Macht der Glanz verwehrt. Schon sein Aufstieg war Fall und spröde wird gezeigt was passiert, wenn die Zeit abgelaufen und schließlich auch die Hauptfigur weg muss. Da wird dieser Mensch, samt des übergroßen Möbels an welchem er klammert, gekippt. Eine letzte bittere Note liegt in der Nicht-Inszenierung seines Abgang: Er vollzieht sich als stummer Fall ins Dunkel, gerät zur "Entsorgung", womit dieser Macbeth einer Wegwerf-, Massen- und Mediengesellschaft auf den Leib getanzt ist.

 

Neue Braunschweiger Zeitung 07.03.2010 Von Ingeborg Obi-Preuß

Macbeth: Aufstieg und Fall
Shakespeares Drama getanzt am Braunschweiger Staatstheater

mac_beth (5K) "Macbeth" eröffnete gestern Abend die 3. Braunschweiger Tanztage. Auch für die letzte Arbeit der Ballettchefin Eva-Maria Lerchenberg-Thöny gab es viel Jubel vom Publikum. Bis nächsten Freitag steht Braunschweig ganz im Zeichen des Tanzes. "Macbeth" – Lerchenberg-Thöny hat die berühmte Tragödie von William Shakespeare (1606) in die Gegenwart geholt, ihren Helden so nah und dicht gezeichnet, dass er den Besuchern sofort ans Herz wächst. Umso schmerzhafter mitzuerleben, wie der idealistische, junge Mann zum getriebenen Mörder wird. Siegertypen spielen sich die Bälle zu, verlachen den Rest der Welt, machen ihr Ding. Und jeder bleibt ein Einzelkämpfer, jeder gegen jeden. Der Stärkste wird bewundert und bejubelt. Bis er eine Schwäche zeigt...

Die Hexen kommen unheimlich über die Stuhlreihen gekrabbelt, sie verkörpern das Mystische-Unbekannte, stehen für den Wahn, dem bestimmte Konstellationen offensichtlich unterliegen.

Macht macht geil. So viel wird deutlich. „Macbeth“ (eindrucksvoll gespielt und getanzt von David Roßteutscher) ist ein idealistischer, netter, junger Politiker, der es zu etwas bringen will. Und der – vor allem – einer Frau (Daniela Indrizzi einfach umwerfend schön und ausdrucksvoll) imponieren will.Um sich mit Macht an der Macht zu halten, weicht er immer weiter von seinen Idealen ab, wird zum Verräter, zum Tyrannen, zum Mörder – und verliert am Ende alles.

Einer der Höhepunkte des Abends ist die Liebesszene zwischen Macbeth und seiner Lady, poetisch zart die Bewegungen, leidenschaftlich und heftig die Umarmungen, rührend, wie sich die beiden anschauen, umsorgen, beim Anziehen helfen.

Getragen wird die Inszenierung von bewegend schöner Musik. Lerchenberg-Thöny arbeitet auch diesmal mit den Werken ihres Lieblingskomponisten Arvo Pärt, einem estnischen Künstler, der in seinen frühen Arbeiten eher harte, schräge und schrille Klangfolgen komponierte, später weicher und zärtlicher wurde. Diese beiden Pole setzt Lerchenberg-Thöny für "Macbeth" gekonnt ein. Dazu Walzermusik von Johann Strauß. Eine phantastische Ensembleleistung, für die es ganz viel Jubel vom Publikum gibt

© 2009 Eva-Maria Lerchenberg-Thöny